Verstehen / Research /

Leitfaden

Ein Leitfaden ist ein wichtiges Hilfsmittel zur Durchführung von semi-strukturierten Interviews oder Beobachtungen. Er enthält konkrete Interviewfragen oder Punkte, auf die bei einer Beobachtung geachtet werden soll. Ein Frageleitfaden operationalisiert die Forschungsfragen. Er kann als eine Art Checkliste verstanden werden. Darin enthaltenen Vorgaben helfen, die Vergleichbarkeit von Untersuchungen sicherzustellen.

Einordnung

Die Erstellung eines Leitfadens geschieht im Anschluss an die Forschungsplanung. Mit  Hilfe eines Leitfadens werden Forschungsfragen operationalisiert. Nehmen wir an, die Forschungsfrage lautet: Wie werden Leistungen erfasst und welche Probleme bestehen dabei? Diese Forschungsfrage können wir in konkreten Interviewfragen operationalisieren. Nachfolgend geben wir hierzu ein Beispiel an:

LEITFADEN

Angaben zur Person und Kontext

  • Bitte beschreiben Sie ihre aktuelle Position?
  • Wie lange arbeiten Sie schon beim Unternehmen?
  • Für wie viele Projekte arbeiten Sie zur Zeit?
  • Wo haben sie diese Woche gearbeitet?
  • Wann erfassten Sie die diese Woche ihre Leistungen und wo waren Sie da?
  • Warum erfassten Sie genau dann ihre Leistungen?

Erfassen von Leistungen

  • Beschreiben sie doch bitte die Situation, als sie das letzte Mal ihre Leistungen erfassten. Wo waren sie da? Welche Uhrzeit war es?
  • Wie gingen Sie bei der Erfassung der Leistungen konkret vor?
  • Welche Tools setzen Sie für ihre Erfassung ein?
  • Sprachen Sie sich für die Erfassung der Leistungen ab?
  • Wie prüften sie ob ihre Leistungserfassung vollständig ist?
  • Kam es bei Ihren Leistungseinträgen zu weiteren Schwierigkeiten und wenn ja welchen?
  • Was schätzen Sie an der aktuellen Leistungserfassung?

Spezialfälle

  • Verfügten Sie  über die benötigten Informationen und wenn nicht warum?
  • Wissen Sie immer auf welche Projekte sie ihre Leistungen erfassen müssen?
  • Kam es schon vor, dass ein Projekt, auf das sie buchen sollten, fehlte und wie gingen sie dann vor?
  • Kann es sein, dass Projekte fehlen und wenn ja wie gehen sie dann vor?

Abbildung: Beispiel eines Leitfadens

In qualitativen Untersuchungen wird der Interviewleitfaden offen gestaltet. Semi-strukturierte Interviews bieten Leitfragen, die einem Gespräch eine gewisse Struktur geben, es jedoch nicht unnatürlich einengen. Strukturierte Leitfäden erweisen sich oft als zu starr, wenn es um die Erkundung neuer Diskursbereiche geht. Ein unstrukturiertes Fragen liefert zwar reichhaltige Ergebnisse, allerdings sind die Ergebnisse einzelner Interviews typischerweise wenig vergleichbar. Semi-strukturierte Ergebnisse bilden hier einen guten Kompromiss. Ein Interview zu führen ist einfach — ein gutes Interview durchzuführen, eines, das gleichermaßen informationsreich wie neutral ist, erfordert durchaus einige Erfahrung. Nachfolgend geben wir einige Hinweise für die Formulierung geeigneter Fragen.

Hinweise zur Formulierung von Interview-Fragen

  • Keine Synthese verlangen: Befragte sollten nicht aufgefordert werden, spontan zusammenfassende Aussagen zu statistischen Kenngrößen zu machen oder schlussfolgernde Aussagen zu treffen. Dies würde eine Synthese-Leistung verlangen. Wir fragen also nicht: »Wie viele Leistungen erfassen Sie durchschnittlich pro Tag?« oder: »Was wäre aus Ihrer Sicht die wichtigste Verbesserung?«, sondern: »Wie viele Leistungen haben Sie heute erfasst? Ist dies ein typischer Tag?« oder: »Traten eben bei der Erfassung Schwierigkeiten auf? An welcher Stelle passierte dies?«.
  • Nicht nach »Benutzerfreundlichkeit« fragen. Nehmen wir an, wir fragen: »Welche Aspekte finden Sie bei der Applikation nicht benutzerfreundlich?« Was bedeutet genau benutzerfreundlich? Benutzerfreundlichkeit als Konzept müsste weiter operationalisiert werden, damit sichergestellt ist, dass Fragende und Befragte jeweils das Gleiche darunter verstehen. Besser wäre es ohnehin, nach ihrem Verhalten zu fragen wie in diesem Beispiel: »Wann haben Sie zum letzten Mal in der Onlinehilfe nachgeschaut — oder Kolleginnen und Kollegen um Hilfe gebeten?«
  • Offene Fragen stellen. Indem wir Fragen stellen, die nicht nur knapp mit Ja oder Nein beantwortet werden können, laden wir befragte Personen dazu ein, über neue und unerwartete Aspekte zu berichten. Oft erweisen sich diese als relevant und eröffnen Möglichkeiten für Anschlussfragen. Anstatt also zu fragen: »Ist die Erfassung von Leistungen einfach?«, fragen wir: »Wie verläuft das Erfassen der Leistungen? An welchen Stellen treten Schwierigkeiten auf?« Ja/Nein-Fragen können dann sinnvoll sein, wenn sie den weiteren Verlauf des Interviews steuern. Beispielsweise ebnet die Frage »Erfassen Sie auch Spesen?« den Weg zu tiefergehenden Fragen zur Spesenerfassung.
  • Vom Generellen zum Spezifischen gehen. Indem wir zunächst mit allgemeinen Fragen beginnen, halten wir den Gesprächsraum offen und setzen nicht vorschnell einen Fokus — dadurch beeinflussen wir weniger. Wir können etwa mit der folgenden Frage beginnen: »Bitte erzählen Sie uns, wie Sie vorgehen, wenn Sie Leistungen erfassen?« Und werden erst dann konkreter: »Woher wissen Sie, welche Leistungen Sie bereits erfasst haben?« 
  • Mit Gedächtnisfehlern rechnen. Unangemessen sind Fragen, die nur mit einem unfehlbaren Erinnerungsvermögen belastbar beantwortet werden können. Beispiele solcher Fragen sind: »Wie viele Leistungen haben Sie in dieser Woche genau erfasst?« Es dürfte kaum realistisch sein, dass sich eine Person tatsächlich präzise gemerkt hat, wie viele Leistungen sie über einen Zeitraum von fünf Tagen genau protokolliert hat. Auf die Frage: »Wie viele Leistungen haben Sie heute erfasst?« dürfen wir hingegen schon eher eine der Realität entsprechende Antwort erwarten.
  • Vorsicht bei hypothetischen Fragen. Riskant sind auch hypothetische Fragen. Die Frage: »Würden Sie es schätzen, Vorlagen für Zeiteinträge verwenden zu können?« generiert bei Nutzenden, je nach Erfahrung, schnell sehr unterschiedliche Vorstellungen zu einer potenziellen Lösung, die auf Vorlagen basiert. Ihre Antwort stützt sich dann auf eine uns nicht bekannte, vage Vorstellung und ist daher wenig aussagekräftig. Es ist besser, konkrete Lösungsvorschläge in Form von Prototypen zu zeigen — aber auch dann haben wir nur eine Aussage darüber, ob Nutzende annehmen, dass sie diese Lösung verwenden würden.
  • Nicht nach Lösungen fragen. Ein Fehler, dem wir bei Interviews immer wieder begegnen, sind Fragen nach konkreten Lösungen, etwa zu gestalterischen Entscheidungen bei einem Interface. »Möchten Sie ein Dashboard auf dem Interface sehen?« ist hierfür ein Beispiel: Sollte es tatsächlich bei Nutzenden das Bedürfnis geben, eine Übersicht über zentrale Kenngrößen eines oder mehrerer Prozesse zu haben, so sind Dashboards eine mögliche Lösung. Nutzende sind keine Personen mit Expertise des Lösungsraums und kennen nur selten die bei einer sorgfältigen Lösungsfindung zu beachtenden Anforderungen und Einschränkungen. Es ist unsere Aufgabe als UX Designer, ein tragfähiges Konzept zu entwickeln, das Anforderungen von Nutzenden, technischen Gegebenheiten und wirtschaftlichen Erwägungen gleichermaßen Rechnung trägt.

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Leitfaden

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Experiment

Fake Door, Concierge oder A/B Experimente helfen einen möglichen Need zu validieren oder zwischen Varianten zu entscheiden.

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Review

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Findings aus den unterschiedlichen Validierungsmethoden werden dokumentiert und gewichtet.

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Validierungsauswertung

Am Ende der Validierung werden gemeinsam mit dem Team die Schlussfolgerungen gezogen und es wird beurteilt, ob bestimmte Hypothesen verworfen werden müssen.

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